07.03.2023 - 21:45 | Quelle: Transfermarkt | Lesedauer: unter 8 Min.
SC Austria Lustenau
Jean Hugonet
Austria Lustenaus Durchstarter 

„Warrior“ Hugonet über Authentizität, Beckenbauer und Bundesliga-Interesse

Austria Lustenau: Hugonet über Authentizität und Bundesliga-Interesse
©TM/IMAGO

Dayot Upamecano nutzte vor wenigen Jahren die österreichische Bundesliga als Sprungbrett für eine steile Karriere. Heute gilt der Innenverteidiger des FC Bayern München als Vorbild für viele französischsprachige Profis. Auch Jean Hugonet möchte es ihm am liebsten gleichtun, doch noch läuft der 23-Jährige unter dem Radar, wenngleich er beim Bundesligisten Austria Lustenau zu den absoluten Leistungsträgern gehört. Transfermarkt traf den in Paris geborenen Rechtsfuß zum Interview.


Marktwert
Jean Hugonet
J. Hugonet Defensives Mittelfeld
900 Tsd. €



Jean Hugonet gilt als Insidertipp, wenn es um den besten Innenverteidiger der diesjährigen Bundesliga-Saison geht. Der 23-Jährige ist eine der Schlüsselfiguren für den bisherigen Erfolg der Austria. Als Aufsteiger war der Klub aus Vorarlberg nach über 20 Jahren in der Zweitklassigkeit zurück ins Oberhaus gekehrt. Vor Beginn der Spielzeit wurde man als sicherer Absteiger gehandelt, doch Lustenau wehrt sich bis dato erfolgreich gegen diese Brandmarkung.


TM-Datenbank Die Tabelle der österreichischen Bundesliga Hier entlang „Wir dürfen und können uns nicht mit den anderen Vereinen vergleichen. Wir haben mit Abstand eines der kleinsten Budgets der gesamten Liga, aber dafür unglaubliche Fans, die uns leidenschaftlich unterstützten. Unser Saisonstart war überraschend, weil wir schnell in der Liga angekommen sind und viele Punkte gesammelt haben. Natürlich spricht momentan vieles für uns, aber wir dürfen uns auf keinen Fall ausruhen. Unser Ziel ist der Klassenerhalt und dieses Ziel ist noch in weiter Ferne. Infolgedessen müssen wir weiterhin fokussiert bleiben“, sagt Hugonet, dessen Spielweise – wie sein Spitzname „Warrior“ aussagt – vor allem in der aggressiven Zweikampfführung liegt. Zudem besticht er durch eine hohe Antizipation und Entscheidungsfindung. Dass seine Spielweise auch eine körperliche Robustheit erfordert und Schmerzen nicht ausbleiben, nimmt der 23-Jahrige gerne für den Erfolg in Kauf.



Austria Lustenaus Hugonet: „Bereit, für den Verein Schmerzen einzustecken“


„Ich sage mir immer, wenn du Verteidiger bist, aber lieber vorziehst, auf Zweikämpfe zu verzichten, dann wirst du Probleme haben und bist beim Badminton besser aufgehoben. Ich habe eine klare Einstellung: Wenn du ein Trikot überziehst, dann verteidigst du die Farben des Vereins und musst dementsprechend auftreten. Du bist bereit, für den Verein Schmerzen einzustecken“, sagt Hugonet. Für den gebürtigen Pariser gehören zu einem guten Innenverteidiger aber „noch viel mehr Qualitäten“ dazu als Kampfgeist: „Du musst Gelassenheit und Selbstvertrauen deinen Mitspielern vermitteln sowie konsequent daran arbeiten, Woche für Woche eine konstante Leistung zu bringen. Es klingt vielleicht einfach, aber es geht darum, das Spiel des Gegners ständig zu analysieren, sich bestmöglich zu positionieren und im richtigen Moment einzugreifen. Das Schwierigste: Du musst innerhalb von Sekunden eine Entscheidung treffen und so Verantwortung für die ganze Mannschaft übernehmen. Triffst du eine falsche Entscheidung, wirkt sich das nachteilig auf das gesamte Team aus.“


Leistungsdaten
Jean Hugonet
J. Hugonet Defensives Mittelfeld
SC Austria Lustenau
SC Austria Lustenau
Gesamte Leistungsdaten
Alle Wettbewerbe
Spiele
65
Tore
2
Vorlagen
0


Hugonet wandelt als Führungsspieler auf einem schmalen Grat, versucht aber, den Druck auszublenden: „Was den Druck im Allgemeinen betrifft, habe ich das Gefühl, dass ich ihm ziemlich entspannt gegenüberstehe. Die Innenverteidigerposition ist eine, in der kein Spielraum für einen Fehler herrscht, du musst große Verantwortung übernehmen. Zudem musst du einen gewissen Anspruch an dich selbst haben: Jedes Wochenende spielst du gegen andere Stürmer. Manche sind größer als du, manche sind kleiner, manche schneller, manche langsamer. Das stellt für mich auch einen Reiz dar.“ Er verändere seine Spielweise nie wegen eines spezifischen Gegenspielers komplett, passe sich „bestimmten Punkten an. Es ist vergleichbar mit der Formel 1: Das Auto ist die gesamte Saison dasselbe, aber die Teams ändern bestimmte Einstellungen entsprechend Strecke, Rennstrategie oder Wetterbedingungen“, erklärt Hugonet.



Der Abwehrmann versucht, sich möglichst viel von seinen Idolen abzuschauen: „Die Spielweise von Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci gefällt mir sehr. Besonders die Art, wie sie auftreten und gewonnene Aktionen feiern, finde ich überragend. Tatsächlich bereite ich mich auf die Spiele vor, indem ich mir Highlight-Szenen von Abwehrlegenden wie beispielsweise Franz Beckenbauer oder Franco Baresi anschaue“, erzählt der Franzose, der seine sportliche Ausbildung beim Traditionsverein Paris FC absolvierte und dort sämtliche Nachwuchsmannschaften durchlief. Bis Ende der 1970er waren die Blauen die Nummer eins in der Stadt, ehe ihnen Paris Saint-Germain den Rang ablief. Doch von großer Rivalität kann man zwischen dem Zweitligisten und amtierenden französischen Meister nicht sprechen, wie Hugonet erklärt.


Marktwert
Leonardo Bonucci
L. Bonucci Innenverteidiger
1,30 Mio. €


„Paris FC war in den 70er-Jahren im Profifußball vertreten und verfolgt mittlerweile auch wieder eine sehr interessante Entwicklung. Aber der Verein tut sich schwer damit, in der Bevölkerung Begeisterung zu wecken und das ist sein Hauptproblem. PSG und PFC befinden sich in unterschiedlichen Galaxien.“ Vor gut zwei Jahren spielte der Innenverteidiger noch bei US Saint-Malo in der 4. französischen Liga, wohin er nach seinem Aus beim Paris FC gewechselt war. Obwohl der Innenverteidiger zu diesem Zeitpunkt gute Anlagen und ein großes Talent vorwies, reichte es lediglich zu einem Einsatz für die Profimannschaft.


Community Jetzt im Forum über die österreichische Bundesliga diskutieren Hier entlang Durch den Wechsel zu Saint-Malo hatte Hugonet eigentlich schon fast mit dem Profifußball abgeschlossen. Eine wichtige Rolle dafür, dass der Franzose überhaupt bei Austria Lustenau landete, spielte der Kooperationspartner der Voralberger, Clermont Foot. Der damalige französische Zweitligist entdeckte und lud ihn zu einem Probetraining ein: „Ich konnte im Probetraining den Verein wohl von meinen Fähigkeiten überzeugen. Da die Mannschaft aber in die Ligue 1 aufstieg und ich aus der vierten Liga kam, entschieden wir uns, dass ich lieber zum Kooperationspartner nach Lustenau gehen sollte. Und ehrlich gesagt, habe ich es noch keine Sekunde bereut, weil ich mich als Spieler extrem weiterentwickeln konnte. Da ich Englisch sowie Spanisch spreche und wir zusätzlich einige Franzosen im Team haben, verlief die Integration ziemlich schnell. Aufgrund der zentralen Lage Lustenaus sind Städte wie Zürich, München und Mailand nicht weit und wenn es die Zeit zulässt, besuche ich diese auch. Wenngleich ich natürlich Paris und speziell meine Familie vermisse. Für mich hat Paris den Zusatz als ‚schönste Stadt der Welt‘ verdient. Die Stadt hat so viele schöne Orte und Facetten zu bieten, aber nun freue ich mich, dass Lustenau mein Zuhause ist“, sagt der Innenverteidiger.



Durch seine sprachlichen Fähigkeiten gilt der 23-Jährige auch als Vermittler zwischen den Nationen in der Mannschaft. Neben dem Platz hat Hugonet so gar nichts mit einem „Warrior“ am Hut, da schlägt er eher sanfte Klänge an, interessiert er sich für kulturelle Dinge, besucht Museen, Kunstausstellungen oder Baudenkmäler. Doch seine größte Leidenschaft gilt der Musik. „Ich finde es wichtig, um seinen Kopf freizubekommen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die gar nichts mit Fußball zu tun haben. In Lustenau gibt es in der Nähe des Stadions ein Musikgeschäft, in dem ich mich gerne aufhalte. Zudem findet man in der Stadt einen großartigen Jazzclub, in dem ich bisher tolle Künstler sehen konnte. Ich selbst spiele Piano und Schlagzeug. Meine Eltern sagen immer, ich wäre mit Drumsticks an den Händen und dem Ball am Fuß aufgewachsen. Wenn ich meinen Spielstil mit einem Musikgenre vergleichen müsste, dann wäre es eine Mischung aus vielen: Ein bisschen Rock für die Energie, ein bisschen Pop für die Struktur und ein bisschen kubanische Musik für den Rhythmus“, sagt der 23-Jährige lachend.



 


Austria Lustenaus Hugonet: Motto und Lieblingssong „No Surrender“


Infolgedessen gehört für den Innenverteidiger eine gute Musikauswahl für die Spielvorbereitung dazu. „Bei mir fängt es schon an, wenn ich die Wohnung verlasse. Generell laufen Bruce Springsteen, Coldplay oder Amanda Marshall. Wenn ich einen Lieblingssong wählen müsste, dann wäre es ‚No Surrender‘ von Bruce Springsteen, der mich seit meiner Kindheit begleitet, weil ihn schon mein Vater gerne gehört hat. Für mich hat in diesem Zusammenhang auch ein Plakat, was in unserer Wohnung hing, einen speziellen Wert. Die Aufschrift lautete: ‚Was hast du mit deinem Talent gemacht?‘ Für mich fasst dieser Satz viele Dinge zusammen, einschließlich der Tatsache, dass du selbst für dich verantwortlich bist und alles geben sollst, um dein Talent richtig zu nutzen“, betont Hugonet, dem es wichtig ist, authentisch zu sein. Er kann aber auch Spieler verstehen, die eine Maske aufsetzen oder gar eine Rolle spielen.


„Fußball fasziniert eine Vielzahl von Menschen, sodass die kleinsten Handlungen, Gesten oder Worte interpretiert werden. Die Spieler müssen vorsichtig sein in dem, was sie tun, weil einfach alles interpretiert werden kann. Deshalb spielen viele eine Rolle, in erster Linie, um sich selbst zu schützen. Anderseits denke ich, dass die Fans gerne authentische Spieler sehen wollen, die echt sind. Meiner Meinung nach ist das Wichtigste, dass man sich treu bleibt“, sagt der gebürtige Pariser.



Die Gerüchte, dass ihn deutsche Erstligisten beobachten, nimmt er gelassen hin. „Natürlich kriegt man im Nachhinein mit, dass Scouts auf den Tribünen sitzen und es ist auch schmeichelhaft, wenn sie wegen dir da sind. Jedoch empfinde ich dadurch keinen besonderen Druck oder lasse mich davon sogar ablenken. Mein Fokus liegt einzig und alleine darauf, mit Lustenau den Klassenerhalt zu schaffen“, so der Abwehrspieler.


Doch möglicherweise verschlägt es ihn auch nach Portugal, denn aus Langeweile heraus hat er angefangen, Portugiesisch zu lernen. „Dafür nehme ich aber keinen Extra-Unterricht. Mein bester Freund ist Portugiese und außerdem haben wir in der Mannschaft zwei Brasilianer. Ich finde es unfassbar wichtig, die Sprache des jeweiligen Landes zu beherrschen, um sich mit seinen Mitspielern und dem Trainer auszutauschen. Mein Ziel ist es, irgendwann fließend Deutsch zu sprechen, aber ich finde Deutsch ist halt eine komplizierte Sprache und deshalb gehe ich regelmäßig zum Sprachunterricht. Für mich ist das Gehirn das wichtigste Organ eines Fußballers, also muss ich im Kopf fit bleiben“, so Jean Hugonet schmunzelnd.


Text: Henrik Stadnischenko


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Lord786 Lord786 23.05.2023 - 00:30
Zitat von Luca10
Hugonet ist einfach ein sympathischer Spieler mit einer Top Einstellung. Hoffe er verlängert in Lustenau, leider rechne ich aber mit einem Abgang am Ende der Saison. Danke für den Artikel!


Willkommen bei Eintracht Frankfurt, der perfekte NdickA Ersatz
Luca10 SC Austria Lustenau Luca10 07.03.2023 - 22:06
Hugonet ist einfach ein sympathischer Spieler mit einer Top Einstellung. Hoffe er verlängert in Lustenau, leider rechne ich aber mit einem Abgang am Ende der Saison. Danke für den Artikel!